Next Generation Sequencing: Bessere Analysen – bessere Daten – bessere Therapien?

NGS-Vision_illustrationPräzisionsonkologie setzt Präzisionspathologie voraus. Die Next Generation Sequencing (NGS)-Technologie hat die Etablierung bedeutender, neuer diagnostischer Anwendungen in der täglichen Routine ermöglicht. Was leistet die Methode, welchen Preis hat diese und wann lohnt sich ihr Einsatz?

Von: Prof. h.c. Dr. Markus Tiemann und Dr. rer nat. Markus Falk

Präzisionsonkologie ist ein junger Begriff. Er ist aus der Erkenntnis entstanden, dass Tumorerkrankungen (selbst innerhalb einer Entität) genetisch sehr heterogen sein können. Diese Unterschiede beziehen sich nicht nur auf therapieentscheidende Treiber-Gene (z.B EGFR oder BRAF) sondern auch auf zusätzlich auftretende Passenger-Gene (z.B. TP53, STK11), die durchaus einen Einfluss auf das Therapieansprechen und die Prognose haben können. Eine immer größere Zahl an genetischen Biomarkern muss daher getestet werden, um individualisierte Therapieansätze zu erlauben. Präzisions-Onkologie setzt demnach Präzisions-Pathologie voraus.

Präzision ist erforderlich – und hat ihren Preis

Das Next Generation Sequencing (NGS) stellt die dafür notwendige Präzision bereit. Einerseits können hohe Sensitivitäten bis zu ca. 0,1 % erreicht werden, d.h. 1 mutiertes Allel in 1000 Wildtyp-Allelen. Diese Genauigkeit ist beispielsweise für den ctDNA Test (Liquid Biopsy) von Blutplasma unerlässlich, für die Analyse von Tumorgewebe reicht zumeist eine Sensitivität von ca. 3 – 5%. Zudem können in einem typischen NGS-Lauf mehrere hundert Gene von vielen Patienten (z.B. 80 oder mehr) zeitgleich durchgeführt werden. Die umfassenden Sequenzierdaten haben allerdings neben dem monetären (ca. 2000 Euro pro Patient) auch einen zeitlichen „Preis“: Die derzeitige Bearbeitungszeit (von Probeneingang bis zum pathologischen Befund) liegt bei etwa 10 Werktagen. Dafür sind jedoch komplexe Biomarker wie TMB (tumor mutational burden) oder NTRK-Fusionen inkludiert und werden automatisch mitgetestet.

Einsatz in der Tumordiagnostik

NGS eignet sich zum Nachweis von Genalterationen bei hämatologischen wie soliden Neoplasien. Es gibt kaum Limitationen bei der Art des Untersuchungsmaterials, eine gewisse DNA-Menge (ca. 200ng) jedoch, ist obligat. Die jeweiligen Panels sind kombinierbar und durch die Bestimmung der Allelfrequenz ist sogar eine Quan- tifizierung der Genmutationen möglich (z.B. wichtig bei Verlaufskontrollen, MRD, minimal residual disease – Minimale Resterkrankung). Die Untersuchung der MRD besitzt prognostische Aussagekraft und ermöglicht die Früherkennung eines Rezidivs nach Therapieversagen bei Patienten mit Leukämien. Das NGS erlaubt hier einen besonders „tiefen Blick“ und kann MRD zuverlässig z.B. am peripheren Venenblut nachweisen.

In größeren Pathologien ist diese Technologie seit einigen Jahren Standard und zunehmend alternativlos. Immer mehr umfangreiche genetische Biomarker, die durch konventionelle molekulargenetische Verfahren schlicht nicht mehr nachweisbar sind (z.B. HRD, homologous recombination deficiency), werden Einzug in die Routinediagnostik halten.

Wann lohnt sich die Methode und wann sind Alternativen sinnvoller?

Lohnend ist ein NGS-Panel vor allem bei Tumorentitäten mit vielen möglichen relevanten Genalterationen – das Lungenkarzinom ist hierfür ein klassisches Beispiel. Für Fragestellungen eng umschriebener „hotspot“ Mutationen (z.B. NPM1-Quantifizierung nach Induktionstherapie bei der AML) eignen sich eher „schlankere“ diagnostische Verfahren. Hier ist der Einsatz der sehr sensitiven digitalen PCR zielführender, weil diese schneller und kostengünstiger umsetzbar ist.

Dieser Artikel ist erschienen in: VISION, Ausgabe 5, April 2020