Tatort „Spieglein Spieglein“ im rechtsmedizinischen und forensischen Faktencheck

Tatort: Spieglein, Spieglein

Bild: WDR/Thomas Kost

Als Kommissar Thiel zum Tatort hinter dem Münsteraner Dom kommt, erfasst ihn ein tiefer Schreck: Die Tote ähnelt Staatsanwältin Klemm so sehr, dass er die beiden zunächst verwechselt. Weder er noch Prof. Boerne nach der Obduktion finden Hinweise auf den Täter. Klemm wird wütend als schnell erste Videos von einem lachenden Thiel am Tatort in den sozialen Netzwerken kursieren und dieses Konterfei auch noch die Titelseite der Tageszeitung ziert. Zum allem Überfluss sieht eine zweite Tote genauso aus wie Boernes Assistentin Haller.

Drehbuchautor Benjamin Hessler und seine Brüder werden häufig verwechselt, weil sie sich ähnlich sehen. Davon ließ er sich für den Tatort „Spieglein Spieglein“ inspirieren. Auch sie werden ständig verwechselt. Für pathoblog.de unterziehen die Sachverständigen Dr. Nicole von Wurmb-Schwark und Dr. Thorsten Schwark den aktuellen Tatort einem Faktencheck.

Prof. Boerne berichtet nach der Obduktion, der Schuss auf die Tote sei aus einer Pistole mit Kaliber 9mm abgefeuert worden. Wie kann er das als Gerichtsmediziner so schnell feststellen?
Letztlich ist die Frage nach dem Kaliber eine, die von Ballistikspezialisten der Polizei beantwortet wird. Allerdings können sich schon bei der Obduktion Hinweise auf den Geschoss-Durchmesser ergeben – so kann zum Beispiel bei einem Kopfschuss der Defekt des Einschusses am Schädelknochen ausgemessen werden. Und sollte es sich um einen Steckschuss gehandelt haben, würde der Rechtsmediziner natürlich auch das Projektil finden.

Wie wahrscheinlich ist es, dass sich in einer Stadt wie Münster „Doppelgänger“ des kompletten Tatort-Teams finden lassen?
Dies sollte man vielleicht unter künstlerische Freiheit laufen lassen. In der Rechtsmedizin kennen wir uns aus mit verbalen Prädikaten wie „Vaterschaft praktisch erwiesen“, „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ und ähnlichem. Hier würden wir aber nicht einmal die schon sehr alte Beurteilung „nicht offenbar unmöglich“ benutzen wollen.

Was war Top an dieser Tatort-Folge aus forensischer/gerichtsmedizinischer Sicht?
Es war natürlich lustig wie immer, mit der Realität hat das allerdings wenig zu tun. Aber: dieses Mal wurde immerhin zu zweit obduziert, wie in der Strafprozessordnung vorgesehen

Was war der größte forensische/gerichtsmedizinische Flop an dieser Tatort-Folge?
Wie immer hat Boerne zu viel selbst ermittelt. Außerdem ist fraglich, ob er – da er dieses Mal ja wieder einmal persönlich betroffen und damit evtl. auch befangen warm – überhaupt bis zum Ende hätte involviert sein dürfen.

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Privatdozentin Dr. Nicole von Wurmb-Schwark ist geprüfte Fachabstammungsgutachterin der  Deutschen Gesellschaft für Abstammungsbegutachtung (DGAB) und Spurensachverständige.
Der Rechtsmediziner Privatdozent Dr. Thorsten Schwark ist rechtsmedizinischer Berater.

Das Team des Tatorts aus Münster

2002 ging das ungleiche Paar aus Rechtsmediziner Prof. Boerne und Hauptkommissar Thiel zum ersten Mal auf Verbrecherjagd. Seitdem gehören die Krimis, die in der westfälischen Universitätsstadt spielen, zu den beliebtesten und quotenträchtigsten der Reihe. Boerne, der geniale aber ziemlich eingebildete Professor, und der aufbrausend herzliche Thiel könnten kaum gegensätzlicher sein. Als Nebenfigur mischt Kommissar Thiels Alt-68er-Vater Herbert regelmäßig die Ermittlungen und seinen Sohn auf. Der freiberufliche Taxifahrer nimmt dabei gern auch die Verfolgung vermeintlicher Täter auf. Das starke Ensemble komplettieren drei Frauen. Silke Haller, Boernes engste Mitarbeiterin, weiß dessen Witze über sie als versteckte Anerkennung zu deuten. Die kettenrauchende Staatsanwältin Wilhelmine Klemm legt Thiel mit Reibeisenstimme gern Knüppel in den Weg. Nur die patente Nadeshda Krusenstern, die Thiel als Assistentin ergänzt, befindet sich in dieser Folge im Urlaub. Vertreten wird sie von Mirko Schrader, dessen Kaffee legendär ist.