Tatort „Das verschwundene Kind“ im rechtsmedizinischen und forensischen Faktencheck

Tatort: Das verschwundene Kind

Bild: NDR/Christine Schroeder

Kommissarin Lindholm patzte beim letzten Fall und wird vom LKA Hannover nach Göttingen strafversetzt. Dort muss sie sich – ganz ungewohnt – in ein gut funktionierendes Team einpassen und gerät gleich mit ihrer neuen Kollegin Anaïs Schmitz aneinander. In einer stillgelegten Umkleide findet die Polizei Blutspuren, Fußabdrücke verschiedener Größe und Hinweise auf eine heimliche Geburt. Leben Mutter und Kind noch? Die Kripobeamten ermitteln im Umfeld der Schule.

Im Tatort „Das verschwundene Kind“ dreht sich alles um die dramatischen Folgen einer verdrängten Schwangerschaft. Pro Jahr kommen allein in Deutschland ca. 1.600 Kinder zur Welt, ohne dass Mutter und Umwelt etwas von der Schwangerschaft ahnen. Für pathoblog.de unterziehen die Sachverständigen Dr. Nicole von Wurmb-Schwark und Dr. Thorsten Schwark den aktuellen Tatort einem Faktencheck.

Gerichtsmedizinische und forensische Tops und Flops in „Das verschwundene Kind“

Der Gerichtsmediziner kann aus den Spuren auf dem Teufelsring die DNA des Vaters identifizieren. Wie geht das?
Auf Gegenständen, die engen Kontakt zum Körper haben, wie zum Beispiel ein Ring, werden beim Tragen Hautzellen und Körperflüssigkeiten (Schweiß, Speichel) auf diese Gegenstände übertragen. So lässt sich nahezu jeder Schmuck seinem Träger zuordnen. Sobald das genetische Merkmalsmuster des Ringbesitzers vorliegt, kann es mit dem des Kindes abgeglichen werden: Das Kind muss in jedem Genort ein Signal haben, welches auch der mögliche Vater trägt; das zweite Merkmal stammt von der Mutter. Ist dem so und werden genügend Marker untersucht, kann die Abstammungswahrscheinlichkeit berechnet werden.

Anhand von Petechien im Herz- und Lungenfell vermutet der Gerichtsmediziner nach der ersten Obduktion, der Tod des Babys sei aufgrund einer äußeren Verlegung der Atemwege eingetreten. Das Baby wurde getötet. Wie kann er das so schnell erkennen und was genau bedeutet das?
Im Rahmen der Obduktion werden sämtliche Organe untersucht und man findet in den genannten Geweben punktförmige Einblutungen, sog. Tardieu Flecken. Diese entstehen beim Erstickungsprozess.

Was war Top an dieser Tatort-Folge?
Schwierige Frage aus forensischer Sicht. Aber off-topic sozusagen: Eigentlich die neue Kommissarin. Schade nur, dass man diesem Charakter nicht zutraut auch ohne riesige Marotten und Probleme einen Tatort zu tragen. Aber lustig war natürlich schon die Szene, als klar wird, dass sie mit dem Rechtsmediziner verheiratet ist.

Was war der größte Flop an dieser Tatort-Folge?
Drei Hauptcharaktere, zwei psychiatrisch äußerst auffällige Kommissarinnen und ein skuriler Rechtsmediziner. Warum gibt es so gar keine normalen Menschen mehr im Tatort? Frau Lindholm bleibt arg unprofessionell. Jeder möchte Kinder retten; solche Fälle gehen allen an die Nieren, aber sie macht durchgängig einen für eine Ermittlerin unglücklichen Eindruck.

Außerdem hat sie gesagt „Was der PATHOLOGE festgestellt hat“. Unfassbar und mittlerweile auch wirklich peinlich. Das sagt kein Kripobeamter. Offensichtlich haben die beim Tatort keinen vernünftigen Berater. Merkt man auch an vielen weiteren kleinen Fehlern im medizinischen Bereich.
Dazu kommt, dass auch hier wieder der Mediziner die Vaterschaftsanalyse selber macht. Das ist völliger Quatsch, dafür gibt es die Labore.

ForGen – Forensische Genetik und Rechtsmedizin am Institut für Hämatopathologie Hamburg

Zur Expertise von ForGen gehören Abstammungsanalysen sowie Spurenuntersuchungen und biostatistische Auswertungen – bei Mensch und Tier.
Privatdozentin Dr. Nicole von Wurmb-Schwark ist geprüfte Fachabstammungsgutachterin der Deutschen Gesellschaft für Abstammungsbegutachtung (DGAB) und Spurensachverständige.
Der Rechtsmediziner Privatdozent Dr. Thorsten Schwark ist rechtsmedizinischer Berater.

Das Team des Tatorts aus Göttingen (vorher Hannover)

Charlotte Lindholm ist Einzelgängerin und ein echtes Alpha-Tier. Teamarbeit liegt ihr – vorsichtig ausgedrückt – eher weniger. Die strafversetzte LKA-Ermittlerin hält viel von sich und ihren Fähigkeiten, wenig von denen anderer. Mit dieser Arroganz eckt sie gerade am neuen Einsatzort im Göttinger Polizeirevier sofort an. Besonders kantig entwickelt sich die Beziehung zur neuen Kollegin Anaïs Schmitz. Bereits die erste Begegnung birgt Konfliktpotential. Schmitz ist schwarz. Lindholm hält sie für die Putzfrau. Ein typischer Fall von Alltagsrassismus. Schmitz, ebenfalls eine Alpha-Persönlichkeit, reagiert zu Recht kalt und ablehnend. Ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn brachte sie einstmals zur Polizei. Dort hatte sie hart zu kämpfen, auch gegen Vorurteile und Demütigungen. Als Folge unterlaufen ihr immer wieder aggressive Ausbrüche. Verheiratet ist sie mit Gerichtsmediziner Nick Schmitz. Der gefällt auch Lindholm gut.