Kölner Tatort „Tanzmariechen“ im rechtsmedizinischen Faktencheck

Tatort Tanzmariechen

© WDR/Thomas Kost

Wie steht es um die rechtsmedizinischen und forensischen Fakten im Tatort „Tanzmariechen“, in dem die beliebten Kölner Tatortkommissare nach 1999 zum zweiten Mal im Karnevalsmilieu ermitteln? Dr. Nicole von Wurmb-Schwark, Spurensachverständige von ForGen – Forensische Genetik und Rechtsmedizin am Institut für Hämatopathologie in Hamburg, und Dr. Thorsten Schwark, Facharzt für Rechtsmedizin erläutern die Fakten.

Im Tanzkorps „De jecke Aaape“ herrscht kurz vor Sessionsbeginn am 11.11. ein heftiger Wettbewerb. Der Präsident des Vereins Günther Kowatsch und die Trainerin Elke Schetter trimmen die Tanzmariechen mit harter Hand. Nach der Niederlage bei einem Wettbewerb wird Schetter tot aufgefunden. Schnell gerät Rainer Pösel unter Verdacht, der Vater einer ehemaligen Tänzerin, die sich wegen des großen Drucks von der Südbrücke gestürzt hatte. Tief steigen die beiden Kommissare in die Abgründe des organisierten Kölner Karnevals – zum Missfallen von Karnevalsmuffpel Max Ballauf.

Am Tatort tastet Dr. Roth den Kopf der Toten ab. Anschließend konstatiert er, sie sei durch mehrere Schläge auf den Kopf erschlagen worden. Beim letzten Schlag habe die Tote bereits am Boden gelegen. Kann er das so schnell feststellen?
Wenn der Kopf direkt am Leichenfundort untersucht wird, kann der Rechtsmediziner unter gewissen Umständen selbstverständlich mehrere Verletzungen am Kopf feststellen. Ob das Opfer schon am Boden gelegen hat, bei einem bestimmten Schlag und ob es der letzte Schlag war, ist dann schon schwieriger einzugrenzen. Dies wäre in Verbindung mit den eigentlich zu erwartenden Blutspuren am Tatort über eine Blutspurmusterverteilungsanalyse möglich. Aber wir dürfen hier natürlich nicht vergessen, dass Dr. Roth nicht nur über unvorstellbaren Charme, sondern auch über ein unfassbares rechtsmedizinisches Talent verfügt.

Der Rechtsmediziner bestimmt auch den ungefähren Todeszeitpunkt Wie schnell geht das?
Das war in diesem Fall eine sehr genaue Angabe. Und es scheint fraglich, ob der enge Zeitraum für diesen Fall tatsächlich realistisch ist. So wurde die Leiche erst am nächsten Morgen gefunden, wodurch die Bestimmung nicht einfacher wird. Außerdem werden die meisten Befunde, die zum Schätzen des Todeszeitpunkts führen, direkt am Tatort erhoben (u.a. Kerntemperatur der Leiche, Außentemperatur am Leichenfundort) und nicht erst im Sektionssaal während der Obduktion. Das kam hier nicht wirklich rüber.

Dr. Roth trägt Handschuhe und Füßlinge bei der Untersuchung vor Ort, ansonsten aber Alltagskleidung. Wie realistisch ist das?
Das kann durchaus so sein und hängt von dem Tat- bzw. Fundort ab. Wenn die Spurentechnik noch alle Spuren sichert, wird dies in „voller Montur“ getan, mit Spurensicherungsoveralls, Überschuhen, Mundschutz etc., wie man es auch in vielen Krimis sieht. Dann trägt auch der Rechtsmediziner einen solchen Anzug. Wenn allerdings der Fall nicht so aufwändig untersucht wird oder die Spurensicherung (SpuSi) schon fertig ist, reichen auch einmal Handschuhe und Füßlinge.

Bei der Autopsie findet Dr. Roth mikroskopische Staubspuren. Später stellt sich heraus, dass es sich dabei um Bestandteile von Poliermittel und Marmor handelt. Wie lange dauert eine solche Analyse und wie ist es möglich, die Spuren so genau einzugrenzen?
Keine Ahnung, wie lange das dauert. Solche Untersuchungen machen aber sicherlich nicht die Rechtsmediziner. Die müssen heutzutage schon genug wissen, weshalb es ja auch für die anderen großen Bereiche, wie DNA-Analytik und Toxikologie mittlerweile eigene Fachleute gibt. Zusätzlich arbeiten bei den Landeskriminalämtern Wissenschaftler und Kriminaltechniker, die viele weitere Spurenuntersuchungen durchführen. Möglicherweise hat das LKA in NRW einen entsprechenden Materialtechniker, der sich mit so etwas auskennt?

Bei der Tatwaffe handelt es sich um einen Tanzpokal. Der Rechtsmediziner behauptet, den richtigen Pokal genau bestimmen zu können. Ist das in jedem Fall möglich?
Bei bestimmten Tatwaffen können durch den starken Kontakt sogenannte geformte Verletzungen entstehen. Bei diesen kann man eine Verletzungsspur sehen, die nahezu der Form der Tatwaffe beim Auftreffen entspricht. Wenn also der Pokal jetzt ein geeignetes und auffallendes Muster bzw. eine bestimmte Form hat, könnte sich dieses sehr gut in einem geformten Verletzungsmuster wiederfinden. Durch einen Vergleich könnte so das Modell, also der in Frage kommende Pokal, herausgefunden werden. Eine zusätzliche genaue Eingrenzung könnte dann über die forensische Spurenkunde durchgeführt werden. Am „Tatpokal“ müssten sich Blutspuren nachweisen lassen. Danach wird ja auch im Tatort gesucht. Mit bestimmten chemischen Methoden oder auch mit besonderen Lichtquellen kann man diese nachweisen. Das geht selbst dann, wenn das Blut mit bloßem Auge nicht sichtbar ist, weil es z.B. abgewischt oder abgespült wurde.

Wenn der Pokal nicht mit speziellen chemischen Mitteln behandelt wurde, kann dann zusätzlich eine DNA-Analyse durchgeführt werden. So könnte man also nicht nur das Modell des Pokals (durch die Form der Verletzung), sondern auch noch durch einen DNA-Abgleich ganz genau den einen Pokal herausfinden, mit dem letztendlich geschlagen wurde und diesen direkt mit der Leiche in Verbindung bringen.

Was hätten sie sich beim Tatort „Tanzmariechen“ aus rechtsmedizinischer Sicht anders gewünscht?
Das Blutspurmuster, welches man am Leichenfundort zu sehen bekommt, passt nicht. Hier sieht man eigentlich nur eine große Lache, in der der Kopf der Leiche liegt. Der Rechtsmediziner aber hat von mehreren Schlägen auf den Kopf gesprochen. Dabei entstehen Verletzungen, die in der Regel auch bluten, so dass Blut auf die Schlagwaffe gelangt. Beim Ausholen und beim Wiederaufschlagen wird dieses Blut dann verspritzt. Sogenannte Schleuderspuren entstehen. Die können meterweise entfernt gefunden werden. Deshalb sollte man in derartigen Fällen immer auch an die Decke sehen, es sei denn, diese ist wirklich zu hoch wie in diesem Tatort.

Rechtsmedizinisch nicht relevant, aber sehr hübsch war die Bemerkung, man müsse sich unter vier Augen unterhalten, um dann zu viert, ohne den Sohn der Familie, weiter zu reden. Haben alle ein Auge zugedrückt?

Wiederholungen

Das Erste zeigt „Tanzmariechen“ noch bis 19.03.2017 täglich von 20 bis 6 Uhr (Jugendschutz) in seiner Mediathek http://mediathek.daserste.de.

Wiederholungen laufen am Mo, 20.2.2017, 00:20 Uhr auf ONE und Di, 21.02.2017, 00:35 Uhr bei Das Erste.

Der Tatort aus Köln

2017 feiern die Kommissare Ballauf und Schenck ihr 20-jähriges Dienstjubiläum und gehören damit zu den dienstältesten Tatort-Ermittlern der langlebigsten deutschen Krimireihe. 1997 gingen sie an den Start, ein Jahr später beim dritten Fall stieß als wiederkehrende Nebenfigur der Gerichtsmediziner Dr. Joseph Roth zum Ensemble. Gespielt von Schauspieler und Gefängnisarzt Joe Bausch liefert er den Kommissaren ein ums andere Mal wichtige Hinweise zu Todesursachen und andere rechtsmedizinische Fakten.

Der Glatzkopf mit der markanten Stimme hat sich dabei seine eigene Fangemeinde erspielt. Anders als zum Beispiel Kollege Professor Boerne aus dem Münsteraner Tatort sehen die Zuschauer Dr. Roth in der Regel nur am Tatort oder an seinem Arbeitsplatz, wahlweise am Obduktionstisch oder am Mikroskop.