Tatort „Virus“ im rechtsmedizinischen und forensischen Faktencheck

Tatort Virus

Bild: ARD Degeto/ORF/Epo Film/Hubert Mican

Der Tote im Steinbruch bringt die kleine Gemeinde Pöllau in der Steiermark aus dem Rhythmus. Als sich herausstellt, dass er an Ebolafieber erkrankt war, ist es mit der beschaulichen Ruhe vorbei. Die Gegend wird abgeriegelt. Das Tatort-Team Eisner und Fellner ermittelt unter verschärften Quarantäne-Bedingungen.
Aus rechtsmedizinischer und forensischer Sicht ergaben sich  einige Fragen beim Tatort „Virus“. Pathoblog.de hat bei Dr. Nicole von Wurmb-Schwark, Spurensachverständige von ForGen – Forensische Genetik und Rechtsmedizin am Institut für Hämatopathologie in Hamburg, nachgehakt. Sie erläutert, wie es insgesamt um die Fakten steht.

Mit dem Katastrophen-Szenario greift der aktuelle Tatort aus Österreich ein Thema auf, das eher an Hollywoodstreifen wie „Outbreak“ erinnert. 2014 starben bei der letzten großen Ebola-Epidemie in Westafrika rund 11.000 Menschen an dem hämorrhagischen Fieber. Ein Heilmittel dagegen wurde bis heute nicht gefunden. Seit Ende 2016 gibt es allerdings berechtigte Hoffnung, dass bald ein Impfstoff verfügbar ist. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigte Studienergebnisse, wonach ein Impfstoff im klinischen Test gute Ergebnisse brachte – zu fast 100 % schützte er vor der Erkrankung. Kreiert wurde der Tatort allerdings schon lange vor diesen Ergebnissen. Auch bei den Dreharbeiten im Sommer 2016 war die Studie noch nicht veröffentlicht.

Rechtsmediziner Kreindl stellt verschiedene Frakturen am Schädel des Toten fest. Jede für sich könnte tödlich sein. Als Todesursache vermutet er ein Schädel-Hirn-Trauma durch einen stumpfen Schlag oder einen Sturz. Wie lässt sich das unterscheiden?
Bei Schädelfrakturen sprechen wir von der sogenannten Hutkrempenregel: Ein Schlag auf den Kopf erfolgt oberhalb der Hutkrempe. Schlägt ein Täter zum Beispiel jemandem eine Flasche über den Schädel, trifft der Schlag oberhalb der Hutkrempe auf. Eine Verletzung an dieser Stelle könnte also durch Fremdverschulden verursacht werden. Liegt die Verletzung unterhalb der Hutkrempe, spricht das eher für einen Unfall. Denn es ist schwieriger, eine Person an dieser Stelle zu treffen. Im Film kippte das Opfer nach hinten und mit dem Nacken auf eine Kante. Die Verletzung liegt also weit unterhalb der Hutkrempe.

Kreindl findet auch einige Hautblessuren, die er als allergische Reaktion wertet. Lässt sich das bei der ersten Obduktion so schon feststellen?
Ja, das ist durchaus möglich.

Er führt die allergische Reaktion nach näherer Untersuchung auf die Inhalts- und Duftstoffe eines speziellen Erfrischungstuchs zurück, das bei einer bestimmten Fluggesellschaft benutzt wird. Wie ist das möglich?
So etwas kann der Rechtsmediziner nicht selbst feststellen. Nicht einmal dieser sehr von sich begeisterte Kreindl. Ich halte die explizite Zuordnung in so kurzer Zeit für sehr schwierig und würde dies eher den forensischen Toxikologen oder vielleicht den Umwelttoxikologen zutrauen.

Bei dem Toten wird schnell Ebola diagnostiziert. Wie realistisch ist das und wie kann Kreindl so schnell die Diagnose stellen?
Auch das macht der Rechtsmediziner natürlich nicht selbst. Wenn sich während der Obduktion der Verdacht einer Infektion ergibt, oder aber eine solche im Vorfeld bekannt ist, werden immer Proben der Leiche in die Mikrobiologie gegeben und dort untersucht. Je nach Erkrankung und Verdacht lässt sich ein Virus schneller oder langsamer nachweisen.

Die komplette Gegend wird daraufhin abgesperrt. Bei Fellner, Eisner und allen Bewohnern muss abgeklärt werden, wie nah sie dem Toten gekommen sind. Welches Risiko besteht, sich mit Ebola zu infizieren und wie wird das Virus übertragen?
Das wurde im Film ganz gut dargestellt. Da sich die Viren in vielen Körperflüssigkeiten befinden, kommt bei Ebola die Schmierinfektion häufig vor. Die Ansteckung erfolgt hauptsächlich über direkten Kontakt zwischen Menschen oder mit dem Blut und anderen infektiösen Körperflüssigkeiten. Wenn aber ein Infizierter hustet oder niest, kann sich sein Gegenüber natürlich auch über die austretenden Schleimtröpfchen infizieren.

Fellner reißt sich beim Ziehen der Pistole die Hand erneut auf. Der ebenfalls an Ebola erkrankte Arzt fesselt sie. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich dabei infiziert?
Hier muss das Virus direkt übertragen werden. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten: der Arzt hustet oder niest in seine Hände. An den Handoberflächen verbleibt entsprechend viel virushaltiger Speichel. Dann fasst er in die Wunde hinein. Ja, so könnte es funktionieren.

Wie beurteilen sie den Tatort „Virus“ als Ganzes aus rechtsmedizinischer und forensischer Sicht?
Aus dieser Sicht war der Fall natürlich viel zu wenig rechtsmedizinisch, viel zu wenig Krimi mit viel zu wenig Ermittlungsarbeit.

Wiederholungen

Das Erste zeigt „Virus“ bis 03.09.2017 täglich von 20 bis 6 Uhr (Jugendschutz) in seiner Mediathek http://mediathek.daserste.de oder via App auf dem Smartphone.

Der Tatort aus Österreich

Seit 1999 ermittelt der eigenwillige Oberstleutnant Moritz Eisner von der Kripo Wien, ab 2011 ergänzt ihn Majorin Bibi Fellner. Sie ist schlagfertig und emotionaler als ihr Chef. Nachdem sich die beiden anfänglich erst zusammenraufen mussten, wissen beide nun um die Stärken und Schwächen des anderen und sind so gut befreundet, dass Fellner ihren Chef als einzigen Gast zum 60. Geburtstag einlädt.

Von Beginn an wird das Team auch durch die Gerichtsmedizin unterstützt. Anfänglich gehörte Dr. Lang dazu, inzwischen wechseln die Kolleginnen und Kollegen häufiger. Im aktuellen Tatort füllt Prof. Michael Kreindl die Rolle des leitenden Gerichtsmediziners aus, der neben medizinischem Sachverstand eine schrullig sarkastische Note einbringt und ziemlich von sich überzeugt ist. Der Wiener Tatort spielt gern mit Comedy-Elementen.