Kieler Tatort „Borowski und das Fest des Nordens“ im rechtsmedizinischen Faktencheck

Tatort:  Borowski und das Meer

Bild: rbb/NDR/Christine Schroeder

Wie steht es um die rechtsmedizinischen und forensischen Fakten im neuen Tatort „Borowski und das Fest des Nordens“? Dr. Nicole von Wurmb-Schwark, Spurensachverständige und Dr. Thorsten Schwark, Facharzt für Rechtsmedizin von ForGen – Forensische Genetik und Rechtsmedizin am Institut für Hämatopathologie in Hamburg, erläutern die Fakten.

Die Kieler Woche, das Event des Jahres in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt, steht kurz vor der Eröffnung. Da geschieht ein rätselhafter Mord. Am Tatort, einer leerstehenden Wohnung, findet die Polizei eine junge Frau erschlagen auf. Schnell kommt die Polizei darauf, der Täter müsse die Wohnung als Unterschlupf genutzt haben. Wechselweise folgt das Publikum dem Täter auf der Flucht und den Ermittlungen der Kommissare sowie den Erkenntnissen von Gerichtsmedizin und Forensik. Schritt für Schritt entfaltet sich die komplette Tragödie. Borowski versucht, sich in die Lebenswelt des Täters einzufühlen und ihn so zur Strecke zu bringen. Für Brandt ist er ein brutaler Mörder. Sie setzt stärker auf akribische Nachforschungen.

Der Täter wischt vor seiner Flucht einige Oberflächen am Tatort ab, um Spuren zu verwischen. Wie und wo können Fingerabdrücke genommen werden?
Bei der klassischen Methode werden glatte Flächen mit einem Pulver bepinselt. Dieses bleibt in den Rillen der unter anderem aus Fett bestehenden Fingerabdrücke hängen und macht sie so sichtbar. Sehr spannend ist das Sichtbarmachen von Fingerabdrücken mit Cyanacrylat. Dabei kann man kleinere Gegenstände in Kammern (z. B. Abzüge) platzieren und dann Cyanacrylat („Sekundenkleber“) verdampfen lassen. Dieses setzt sich auf etwaige Fingerabdrücke und macht sie dadurch leichter sichtbar und auch haltbar. Die Techniken für das Sichtbarmachen von Fingerabdrücken werden immer besser. Teilweise lassen sie sich auch auf der Haut eines Opfers nachweisen.

Wie kann Brandt sofort feststellen, dass das Opfer von vorne erschlagen wurde?
Hier muss man sich einmal in das Geschehen hineinversetzen. Kam der Schlag von vorn, gibt es meist klassische Verletzungsmuster am Schädel. Bei mehreren Schlägen mit blutenden Wunden, wie in diesem Tatort, entstehen auch Blutspritzer – je nach Schlagstärke, Schlaginstrument sowie nach Lage der Beteiligten am Tatort und an den Beteiligten. Ein ganzer Wissenschaftszweig beschäftigt sich mit der Blutspurenmusterverteilungsanalyse.

Dr. Kroll stellt fest, dass die Frau vor ihrem Tod geweint hat. Wie lässt sich das feststellen?
Das haben wir uns auch gefragt… Vielleicht war die Frau stark geschminkt und es zeigten sich entsprechende „Tränenspuren“?

Dr. Kroll und Borowski versuchen den Tathergang nachzustellen. Das Opfer habe sich verzweifelt am Täter festgehalten. Wie kommen sie darauf?
Die Medizinerin berichtet von Fasern unter den Fingernägeln. Möglicherweise haben die beiden diese einem Täter potentiell zugeordnet? Vielleicht waren auch Fingernägel abgebrochen, was für einen Kampf sprechen könnte.

In die Wohnung des Opfers geht Borowski ohne Schutzkleidung und Handschuhe. Verunreinigt er so nicht alle eventuellen Spuren?
Und wie. Müsste bei allen Kollegen Schnappatmung auslösen.

Am zweiten Tatort findet die Polizei Fingerabdrücke auf der Tatwaffe. Ein erster Vergleich zeigt, dass sie mit denen vom ersten Tatort übereinstimmen. Wie schnell können Fingerabdrücke abgeglichen werden?
Das hängt ganz von den Experten ab und kann auch sehr sehr schnell gehen Dafür gibt es sogar eine App.

Was hätten sie sich am Kieler Tatort aus rechtsmedizinischer und forensischer Sicht anders gewünscht?
Borowski ist ja gewollt ein „interessanter“ und „herausfordernder“ Charakter, aber diese ständigen Alleingänge und das Desinteresse an Spurensicherung ist schon diskussionswürdig.

Wiederholungen

Das Erste zeigt „Borowski und das Fest des Nordens“ bis 18. Juli 2017 täglich von 20 bis 6 Uhr (Jugendschutz) in seiner Mediathek http://mediathek.daserste.de oder via App auf dem Smartphone und Tablet.

Der Tatort aus Kiel

2003 ging Klaus Borowski mit der Folge „Väter“ als Ermittler in Serie. In den ersten sieben Jahren stand ihm Psychologin Frieda Jung in insgesamt 14 Fällen zur Seite. Seit 2010 ermittelt Borowski mit Sarah Brandt. Er spielt dabei den zurückhaltenderen Part, der ihre direkte bis spöttische Art mit stoischer Ruhe hinnimmt. Während Borowski einfühlsam gegenüber ihm fremden Verhältnissen reagiert, verbeißt sich Brandt mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln in die Lösung der Fälle. Mit „Borowski und das Fest des Nordens“ geht sie allerdings beim Kieler Tatort von Bord.
Rechtsmedizinische und forensische Erkenntnisse spielen keine Hauptrolle in den Kieler Tatorten, liefern aber immer wieder wichtige Hinweise auf die Täter. Seit 2015 spielt Anja Antonowicz die leitende Rechtsmedizinerin Dr. Kroll. Als wiederkehrender Charakter kommt auch Kriminaltechniker Klee ins Spiel.